Tag 34: Mein erster Sturz
Gestern Abend habe ich mich mit den anderen aus der Runde beraten wie ich am besten nach Landmannalaugar komme. Es gibt verschiedene Straßen, die aus diversen Richtungen in das Wandergebiet führen. Eins haben sie alle gemeinsam: man hört nur Horrorgeschichten und mit dem Fahrrad wird von allen abgeraten. Aber es raten einem tatschlich nur die Autofahrer davon ab, die wenigen Fahrradreisenden die ich treffe, die bereits dort waren sagen alle: die Straßen sind anspruchsvoll, ab und an muss man schieben, aber nichts was man nicht schafft. Die beste Route für mich ist wahrscheinlich die F208, die aus nördlicher Richtung kommt. Ihr unschlagbarer Vorteil: nur die letzten 20-25 Kilometer sind nicht mehr asphaltiert. es sind deutlich weniger Autos dort unterwegs und ich muss keine Flüsse durchqueren.
Da es den ganzen Vormittag regnen soll und zum Nachmittag eine lange Regenpause angesagt wird, bleibe ich heute lange im Zelt liegen, esse Kekse und lese. Am späten Vormittag wird der Regen langsam weniger und ich beschließe, dass es ja nichts nützt und ich langsam aber sicher mal los sollte. Heute warten etwa 80 Kilometer auf mich: bergauf, Gegenwind, Schotter und Regen. Meine Lieblingskombi…


Um zwölf Uhr breche ich auf, die ersten Kilometer laufen problemlos, dann kommt der erste Anstieg. Den schaffe ich auch noch und dann geht es immer weiter bergauf, dieses Mal nicht mehr so steil, dafür wird der Gegenwind immer stärker und ich quäle mich nur langsam vorwärts. Außerdem habe ich Hunger, so richtig Hunger, nichts was man mit ein paar Müsliriegeln in den Griff bekommt. Zum Glück erreiche ich nach 40 Kilometern ein Hotel mit Restaurant und Café. Vor der Hotelanlage sehe ich ein weiteres Fahrrad, dass sehr danach aussieht, als ob der Besitzer die letzten Tage ebenfalls in den Highlands war. Im Restaurant lasse ich meinen Blick über die Leute schweifen und setze mich dann neben Joris aus Belgien. Ihm gehört das Fahrrad und er war tatsächlich in den letzten Tagen auf der F26 unterwegs, die einmal durch das Hochland führt. Er will eigentlich weiter Richtung Süden, aber auch er hat keine Lust auf die Ringstraße und die ganzen Autofahrer und sucht nach einer Alternative. Ich erzähle ihm von meinem Plan Richtung Landmannalaugar zu fahren und dort wandern zu gehen. Um dort heute noch anzukommen, sollte ich so langsam mal los… Aber es ist so schön warm und so windstill hier.
Irgendwann raffe ich mich auf und weiter geht es bergauf. Immerhin ist die Straße noch asphaltiert und ich komme einigermaßen voran. Bis die Straße dann irgendwann nicht mehr asphaltiert ist. Die nächsten Kilometer schlängelt sich die Straße durch ein Lavafeld und wird immer sandiger. Habt ihr schonmal versucht mit einem vollgepackten Rad über den Strand zu fahren? Klappt nicht so richtig gut, so viel weiß ich jetzt. Und so kippe ich mal nach rechts um, mal nach links. Aber im Sand zu fahren heißt auch, dass man nur auf weichen Sand fällt. Ist trotzdem nervig. Und es dauert ewig, ich schaffe nicht mehr als vier Kilometer pro Stunde. Mittlerweile wird es wieder dunkel in Island. Und so fahre ich um 23 Uhr durch eine schwarze Lavalandschaft, über schwarzen Sand und der Himmel wird auch immer dunkler. Dann fängt es an zu regnen und ich hab noch weitere fünf Kilometer vor mir.




Kurz vor dem Campingplatz wartet eine weitere Herausforderung: ein Fluss. Ein ziemlich tiefer Fluss. Wer hat schon Lust um kurz vor Mitternacht nach 80 Kilometern Fahrrad fahren noch sein Fahrrad in absoluter Dunkelheit durch einen Fluss zu manövrieren? Ich jedenfalls nicht. Kurz bevor ich meine erste Flussdurchquerung wage, sehe ich im Schein der Fahrradlampe ein Schild auf dem steht: „Bridge this way“. Eine Brücke, das kommt doch wie gerufen. Keine fünf Minuten später stehe ich auf dem Campingplatz, stelle mein Zelt auf und möchte nur noch schlafen. Daraus wird aber kaum etwas, es ist einfach viel zu kalt und alle meine Sachen sind nass. Den Rest der Nacht liege ich frierend im Schlafsack und hoffe, dass es morgen warm wird.