Tag 11: Die Berge hoch und runter

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Tag 11: Die Berge hoch und runter

Nach etwas über drei Stunden Fahrt mit der Fähre komme ich in Brjánslækur an. Das Dorf besteht nur aus zwei Bauernhöfen, einer Kirche, dem Hafen und einem Café. Das Café liegt auf einem kleinen Hügel mit Blick über den Fjord und solange der Wind hier draußen so stark ist, bin ich drinnen viel besser aufgehoben. Sobald ich die Tür aufrücke, werde ich in einen Kaffee- und Kuchenduft gehüllt und mir wird sofort wieder warm. Von innen ist das Café komplett aus Holz eingerichtet, sogar die Wände sind mit Holz verkleidet. Die Besitzerin ist ein paar Jahre jünger als ich und bringt mir nicht nur einen heißen Kakao, sondern auch eine frisch gebackene Waffel mit hausgemachter Marmelade an den Tisch. Sie hat vor zwei Jahren ihren Schulabschluss gemacht und ist dann wieder nach Hause zurückgekehrt. Hier aufzuwachsen muss echt anders sein, als wir es kennen. Der Ort besteht wahrscheinlich nur aus ihrer Familie und vielleicht einer zweiten. Es gibt weder Restaurants, noch Museen, Bücherei oder andere Einrichtungen. Es gibt ja nicht einmal ein Schule im Umkreis.

Außer mir sind nur Isländer da und ich verstehe kein Wort der fröhlichen Runde. Kurz darauf habe ich das Café für mich alleine und kann mich ganz auf mein neues Buch konzentrieren. Kurz überlege ich einfach hier zu bleiben, da es im Obergeschoss auch drei süß eingerichtete Zimmer gibt. Aber das mache ich, wenn ich mal Geld verdiene, bis dahin heißt es für mich weiterhin im Zelt schlafen. Aber falls es einen von euch in die Westfjorde verschlägt, dann kann ich diese Unterkunft nur empfehlen.

Das kleine Café
Man gönnt sich ja sonst nichts

Nachdem ich mich aufgewärmt habe, kann ich mich doch noch aufraffen und schwinge mich auf mein Fahrrad. Die Westfjorde sollen im Allgemeinen sehr anspruchsvoll zu fahren sein, da wären der Wind, die vielen Höhenmeter und die teilweise schlechten Straßen. Mir wurde sogar gesagt, dass ich es nicht schaffen werde von einem anderen Radreisenden. Also mal sehen, was das so gibt denke ich und trete in die Pedalen.

Die ersten Kilometer habe ich Rückenwind. Rechts neben mir ragen Hügel und Berge steil nach oben, nur ab und an sind die Wiesen flach genug für die vielen Schafe hier. Auf der linken Seite ist das Meer und ein langer Sandstrand. Und so dauert es nicht lange und ich stelle mein Rad ab und mache den ersten mehrerer Strandspaziergänge in den Westfjorden. Wale sehe ich leider keine, auch keine Robben, nur Vögel und stinkende Algen.

Strandspaziergang

Weiter geht es, der Wind hat mittlerweile gedreht und es wird anstrengender und dann ist das Internet weg und mein Navi weiß nicht weiter. Aber viele Möglichkeiten gibt es hier nicht. Die Straße führt immerzu geradeaus. Bis sie dann gefühlt senkrecht nach oben führt. Mein Fahrrad ist zu schwer zu fahren, ich habe zu meinem eigentlichen Gepäck Proviant für etwa acht Tage dabei, bis zum nächsten Supermarkt. Ich schiebe und schiebe und schiebe. Über eine Stunde schiebe ich mein Rad. Hinter jeder Kurve geht es nur noch weiter Richtung Wolken. Nach einer halben Ewigkeit bin ich oben und der Wind ist hier so kalt, dass ich mir zwei weitere Lagen Pullis und Jacken anziehe, ehe es wieder nach unten geht.

Am Fuß des Berges treffe ich eine Polin, die auch mit dem Rad unterwegs ist. Sie erzählt mir, dass sie nach dem Berg, über den ich gerade gekommen bin, keine Lust mehr hatte. Kurzer Hand hat sie ihr Rad einfach dort abgestellt und ist die folgenden drei Tage per Anhalter durch die Westfjorde gereist. Aber ich gebe mich noch nicht geschlagen. Klar, das war eben super anstrengend, aber ich habe Zeit und so schlimm war es dann doch wieder nicht.

Oben angekommen wird man von diesem Gentleman begrüßt
Und alles wieder bergrunter, was ich eben mühselig bergauf geschoben habe
Immer schön bergauf

Die nächsten Kilometer fahre ich an einem kleinen Fjord entlang und sehe wie immer wieder etwas aus dem Wasser auf- und abtaucht. Es ist eine kleine Robbe, die dort umherdümpelt. Damit mir das auch jemand glaubt nehme ich ein paar Videos auf, auf denen man die Robbe leider kaum erkennen kann. Nach ein paar Kilometern geht es wieder bergauf, über eine Piste, die mehr aus Löchern und Schotter als Straße besteht. Es ist wieder Schieben angesagt. Ich schiebe Höhenmeter um Höhenmeter und werde von mehreren Autos überholt, die mich ordentlich einstauben. Plötzlich hält eins von ihnen neben mir an und ein Pärchen fragt mich, ob sie mir helfen können und Taschen von mir zum Campingplatz transportieren sollen. Ich bin dankbar für das Angebot, aber ich bin auch fast ganz oben, deswegen lehne ich ab. Ich bin so weit gekommen, dann schaffe ich den letzten Kilometer bergauf auch noch. Ich winke ihnen zu und weiter geht’s. Es geht endlich wieder bergab, ganz schön steil bergab. Das kann ja ein Spaß werden hier wieder hoch zu kommen denke ich. Ich weiß, dass ich spätestens in zwei Tagen diese Weg wieder zurück muss, da der Campingplatz in einer Sackgasse liegt, dafür aber an einem der angeblich schönsten Strände Islands. Als ich um die nächste Kurve komme sehe ich das hier :

Erster Blick auf den roten Strand

… und ich weiß es hat sich gelohnt. Es ist so schön hier, da möchte ich fast weinen. Wahrscheinlich bin ich aber auch einfach zu erschöpft und hungrig und deswegen heute etwas emotionaler unterwegs.

Auf dem Campingplatz angekommen gehe ich als ersten zum Check-In und werde direkt angesprochen, ob ich das gerade mit dem Fahrrad gewesen sei und wie beeindruckend das sei, dass ich es über den Berg geschafft habe. Das höre ich heute noch öfter und es tut gut von völlig fremden direkt mit einem Kompliment begrüßt zu werden. Außerdem kommt man so schnell ins Gespräch.

Heute Abend habe ich wirklich tolle und aufgeschlossene Menschen getroffen. Ein Pärchen aus Indien, die letzte Woche geheiratet haben und ihre Hochzeitsreise durch Island machen. Eigentlich wollten sie nach Griechenland, aber dort hat es ihnen nicht gefallen und so haben sie kurz entschlossen neue Flüge gebucht und sind jetzt hier. Ich treffe auch die beiden wieder, die mir Hilfe beim Transport angeboten haben. Sie kommen aus Frankreich und sind seit ca. 16 Monaten auf Weltreise und haben viel zu berichten und den ein oder anderen interessanten Tipp für mich.

Während ich meine Pasta koche kommen zwei andere deutsche Studentinnen hinzu. Beide sind 23 Jahre alt und studieren in Berlin Tourismusmanagement. Eine von ihnen macht gerade einen Teil des Praxissemesters in Reykjavik in einem Hotel und zu zweit haben sie für dieses Wochenende einen Wagen gemietet um ein bisschen das Land zu erkunden. Sie bieten mir an mich morgen mitzunehmen, gemeinsam wollen wir ans westliche Ende von Island fahren und ich sage dankend zu. Da spare ich mir über 10000 Höhenmeter. Außerdem werde ich tatsächlich eingeladen, bei ihr zu übernachten, wenn ich zurück in Reykjavik bin und ich freue mich jetzt schon darauf sie wieder zu sehen.

Ich bin noch nicht müde nach dem Essen und so laufe ich noch eine Weil an dem roten Strand entlang, bis es auch mich irgendwann bei der Kälte zu meinem warmen Schlafsack zieht.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Emi

    Einfach nur wow!

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