Die Odyssee von Guate nach Antigua
Wer mich kennt, der weiß, dass ich absolut kein Stadtmensch bin. So absolut gar nicht. Die vielen Menschen, die vielen Autos, der Lärm, das alles macht mich nervös und unruhig. Deshalb sehe ich gar nicht viel von Guatemala-Stadt, auch nur Guate genannt, sondern entschließe mich möglichst dort herauszukommen. Ich glaube die Stadt hat schon einiges zu bieten und vielleicht verpasse ich die ein oder andere Sehenswürdigkeit. Aber ich muss erstmal vernünftig ankommen, runterkommen und mich sortieren. Und da ist die wuselige Hauptstadt nicht der richtige Ort für mich.
Deswegen treffe ich eine, im Nachhinein sehr anstrengende, Entscheidung am Samstag direkt nach Antigua zu fahren und die Hauptstadt hinter mir zu lassen. Das bedeutet heute stehen 40 Kilometer und knapp 1500 Höhenmeter auf dem Plan. Gar kein Problem denke ich. Aber es ist doch ein Problem. Ein anstrengendes Problem bestehend aus vielen kleinen Teilen. Es ist morgens schon unfassbar warm und im Laufe des Tages wird es heiß. So richtig heiß. So heiß, dass ich mehrfach in Supermärkten anhalte um meine Flaschen aufzufüllen. So heiß, dass mein Shirt klitschnass geschwitzt ist als ich ankomme. So heiß, dass meine Schweißdrüsen absolut überfordert sind. Außerdem geht es wirklich nur bergauf. Nicht auf einer schönen Landstraßen oder Serpentinenstraßen. Nein, es geht auf der Hauptstraße aus der Hauptstadt hinaus, immer geradeaus. Nur ab und zu geht die Straße um eine Kurve und danach geht es in der Regel noch steiler hinauf. Ich fahre mitten im Wochenendverkehr auf einer dreispurigen Straße bergauf und weiter bergauf. Dann schiebe ich mitten im Wochenendverkehr auf einer dreispurigen Straße bergauf und weiter bergauf. Immerhin gibt es fast die ganze Zeit einen einigermaßen breiten Seitenstreifen, den ich mir nur ab und an mit Moped-Fahrern teile. Ich lerne schnell, dass folgendes Gesetz in Guatemala gilt: der Schwächere gibt nach und hält an, sonst wird er übergemangelt. An mir rauschen Autos, LKW und Busse vorbei. Eines haben sie alle gemeinsam: Hinter ihnen sieht man nur schwarz. Wie schwarz Abgase sein können ist schon erstaunlich. Aber Hauptsache wir canceln Dieselautos und verbieten diese in manchen Straßen. Das hilft… Ich bin also nicht nur verschwitzt, sondern auch rußig schwarz als ich nach einer gefühlten Ewigkeit oben auf dem Berg stehe. Bis dahin war es ein langer Weg und mir ist auch „nur“ zweimal die Kette abgesprungen. Diese hat sich dann zwischen Kassette und Speichern verhakt und es hat jeweils 30 Minuten gedauert sie dort wieder herauszuzerren und -zuziehen. Auf dem Weg nach oben bin ich gefühlt dreimal fast kollabiert und habe mehr Pause machen müssen, als ich gefahren bin. Aber so ist das eben, aller Anfang ist schwer.



Trotzdem war es ein toller Tag, denn ich war nicht alleine unterwegs. Ich bin die ganze Strecke bergauf mit Hugo gefahren, der in der Hauptstadt wohnt und mich begleiten wollte. Während ich mich wirklich diesen blöden Berg hochkämpfen musste und immer wieder nach Luft (oder Abgasen) schnappte, ist Hugo den Berg hochgebrettert. Er ist eine richtige Maschine am Berg und hat ein ganz normales Stadtfahrrad, mit dem er mich gut stehen gelassen hat. Wenn er nicht gerade Rekordzeiten aufstellt, setzt er sich für ein Radfahrer freundlicheres Guatemala ein.
Oben angekommen bin ich auf mich allein gestellt und jetzt müssen meine Bremsen ackern. Es geht halsbrecherisch steil den Berg hinunter und nach nur 30 Minuten stehe ich im Stadtzentrum von Antigua. Jetzt brauche ich nur noch einen Platz zum Schlafen. Der ist zum Glück schnell gefunden und ich komme bei Thomas unter, der immer wieder Radreisende bei sich aufnimmt.


