Tag 7: Wie ich mich plötzlich in Hitchcocks Film „Die Vögel“ wiederfand
Es geht mir viel besser. Es war die richtige Entscheidung einen Tag zu bleiben und einen Pausentag einzulegen.
Früh bin ich heute unterwegs. Schon um sieben Uhr morgens rollte ich vom Hof, dieses Mal wirklich. Und die Kilometer flogen nur an mir vorbei. Nur leichter Gegenwind, aber das macht mir nichts aus. Bereits nach zwölf Kilometern steht das erste Highlight auf dem Plan: die Gerðuberg Klippen. Die Klippen bestehen aus Basalt und entstanden aus Lava, die vom Meer abgekühlt wurde und dann in eckigen Säulen erstarrte. Einige von ihnen sind bis zu 14 Metern hoch. Heute sind die Gerðuberg Klippen eine Weltkulturerbestätte und es ist gut, dass ich so früh hier bin, denn es soll mittags rammelvoll sein.


Das nächste, zugegebenermaßen kleine Highlight, ist ein Wald. Ein kleiner Wald. Klingt erst einmal komisch. Ist aber so. Wälder gibt es hier kaum. Island ist sogar das Land, dass in Europa am wenigsten Waldfläche hat. Wir sprechen hier von ein bis zwei Prozent Fläche die mit Wald bedeckt sind. Früher gab es größere Waldstücke, aber durch den Einfluss des Menschen sind die Bestände weit zurückgegangen. Ein Waldstück ist hier also durchaus etwas besonderes und ich bin froh, mal eine Gelegenheit zu bekommen, das Rad gegen die Wanderschuhe auszutauschen.
Zurück auf der Straße passiert es und es wird heute und die kommenden Tage nicht das letzte Mal sein. Ich werde angegriffen. Aus der Luft. In Island gibt es große Populationen der Küstenseeschwalbe und so harmlos der Name klingt, so angsteinflößend sind diese kleinen fliegenden Biester. Vor allem im Juli, in der sie nisten. Kommt man zu Fuß oder per Rad an einer ihrer Nistwiesen vorbei, dann gnade dir Gott. Die Küstenseeschwalben greifen immer den höchsten Punkt an, in dem Fall also meinen Kopf. Ich kann mich auf dem Rad noch so verbiegen, aber mein Kopf ist und bleibt mein höchster Punkt. Endlich kommt mein Helm zum Einsatz, er rettet nicht nur bei Stürzen meinen Kopf, sondern auch bei hinterhältigen Attacken aus der Luft. Vorbeifahrende Autofahrer lachen nur, wenn sie mich geduckt, wild um mich fuchteln vor einem Schwarmvögeln fliehen sehen. Und ich muss gestehen, bei anderen sieht es durchaus lustig aus, bis es einen selbst erwischt. Da hört der Spaß auf und es hilft nur die Flucht nach vorne. Das ganze passiert mir heute noch vier weitere Male. Mittlerweile stellen sich mir bei dem sehr eindringenden Angriffsschrei der Küstenseeschwalben alle Nackenhaare auf. Es gibt viele Seevögel hier auf der Halbinsel, aber diesen Ruf kann ich sehr gut zuordnen und weiß, es ist Zeit in die Pedale zu treten und um mein Leben zu fahren.
Es gibt aber auch weit aus niedlichere Tiere hier. Mein nächster Stopp ist ein Strand voller Robben mit kleinen Babyrobben (und Touristen). Die meisten liegen faul auf dem warmen Sand oder dösen auf den Felsen. Einige wenige sind zu Begeisterung der Besucher, meiner Wenigkeit eingeschlossen, energiegeladener und schwimmen immer wieder durch die Bucht.



Bevor ich mein Tagesziel erreiche habe ich noch zwei weitere Stopps vor mir. Ein weiterer Wasserfall liegt auf dem Weg und eine Schlucht. Zuerst komme ich am Bjarnarfoss vorbei. Foss, das weiß ich mittlerweile, steht für Wasserfall. Über 80 Meter stürzt das Wasser hier in die Tiefe und es gibt einen kleinen Wanderpfad nach oben, das klingt doch wie für mich gemacht. Der Aufstieg ist relativ steil und auf dem Sandboden rutsche ich, vor allem auf dem Weg bergab, das ein oder andere Mal wenig grazil daher. Aber trotzdem ein lohnenswerter Stopp.


Als letztes stehen der Rauðfeldsgjá auf dem Programm, das ist die besagt Schlucht. Irgendwie habe ich hier mehr erwartet, steht sie doch in jedem Touristenprogramm… Aber letztlich fließt hier einfach ein kleiner Fluss durch eine Spalte im Felsen und über ein paar Steine kann man einige Meter in die Spalte hinein klettern. Kann man mal machen, kann man aber auch lassen denke ich.
Die letzten Kilometer der heutigen Etappe stehen an und wie sollte es anders sein: es geht bergauf, richtig viel bergauf. Entlang des Snæfellsjökull einem knapp 1500 Meter hohen Stratovulkan keuche ich mir eine ab. Und Googlemaps hatte diese Strecke als flach bezeichnet, mein Bordcomputer zeigt mir sieben Prozent Steigung an, na schönen dank auch Google Maps.
Aber dann ist es geschafft und 90 Kilometer später komme ich in Arnarstapi an, einem kleinen Ort am westlichen Ende der Halbinsel, berühmt für seine Küstenabschnitte und Seevögel. Auch hier gibt es die Küstenseeschwalbe, die nicht nur mich, sondern auch andere Besucher regelmäßig über den Campingplatz jagen. Der ein oder die andere hat einen Regenschirm dabei, um sich damit vor den Angriffen zu schützen.
Nach dem das Zelt steht, beende ich den Tag mit einem langen Spaziergang entlang der Küste.


