Erasmusjahr während Corona oder auch Barcelona ohne Touristen

 

Lange habe ich nicht an daran geglaubt, dass ich mein Erasmusjahr wirklich antreten kann. Ich hatte mich für zwei Semester in Barcelona beworben. Nach und nach kamen die Absagen aus Madrid, Valencia und anderen Städten in Hannover an. Aber nicht aus Barcelona. Ich bekam nur eine Bestätigung meiner gewählten Kurse. Drei Wochen vor Beginn des Wintersemesters 20/21 wurde auch mir klar: ich kann tatsächlich mein Erasmusjahr antreten und die Veranstaltungen sind alle präsent. Ich musste also meine Wohnung untervermieten, eine neue Wohnung in Barcelona finden, meinen Koffer packen und noch einen Flug buchen.

Nachdem mein Flug dann dreimal verschoben und letztlich doch gecancelt wurde und ich einen neuen Flug ab Amsterdam gefunden hatte, konnte ich mit genügend Masken und Desinfektionsmittel bewaffnet, endlich meine Reise antreten.

September 2020: die erste Uniwoche

Als erster großer Unterschied zu Deutschland fiel mir auf, dass in Spanien immer und überall Maskenpflicht gilt. Sobald man einen Fuß vor die Wohnungstür setzt, sollte man eine Maske tragen. Ausnahmen gibt es wenige, nur in Restaurants oder am Strand, wenn man genügend Abstand zu anderen Menschen hat. Sogar beim Joggen wird empfohlen die Maske zu tragen. Zumindest solange man auf Straßen läuft, auf denen mehrere Menschen unterwegs sind.

Drei Tage bevor die Uni offiziell startete, gab es für die Studierenden aus dem Ausland eine Einführungsveranstaltung. Von den erwarteten knapp 20 Austauschstudenten waren tatsächlich nur vier, inklusive mir, anwesend. Und es sollten auch nicht mehr werden, da die anderen Studenten ihren Aufenthalt abgesagt hatten.

Die Uni ist hier ganz anders strukturiert, als ich es aus Hannover kenne. Vormittags hat man von acht bis 13 Uhr Veranstaltungen im Krankenhaus. Diese bestehen aus Seminaren in kleinen Gruppen oder aus Praktika. Dabei ist ein Student, immer einem Ärzteteam zugeteilt. Man hat somit immer ein bis drei Ärzte als Ansprechpartner vor Ort. Es werden nicht nur Patienten auf Station besucht, sondern auch Dienste im OP verteilt. Außerdem besteht die Möglichkeit, bei ambulanten Gesprächen dabei zu sein und  abwechselnd in die verschiedenen Labore und Untersuchungseinheiten zu gehen. Viele Ärzte nehmen sich danach noch die Zeit, den Praktikanten Untersuchungen und Laborwerte zu erklären oder besonders spannende Patientenfälle genauer aufzuschlüsseln.

Die Praktika sind nach Fächern angeordnet. An der Universität von Barcelona wird ein Schwerpunkt auf die Fächer der Inneren Medizin gelegt: Statt dem Modul „Innere Medizin“ gibt es hier die Fächer (zB Kardio, Pneumo, Endokrinologie, Gastro, NephroUro, etc.) einzeln und diese werden ein Jahr lang intensiv unterrichtet.

Von 13 bis 17 Uhr stehen Vorlesungen und Seminare auf dem Stundenplan, diese fanden zunächst alle in Präsenz statt. Anschließend konnte man die Stadt erkunden, da fast alle Geschäfte und Restaurants geöffnet waren, oder den Nachmittag am Strand ausklingen lassen. Im Gegensatz zu Deutschland hatten hier auch Gyms, Kletterhallen und Vereine weiterhin auf, sodass man auch gemeinsam zum Sport gehen konnte.

Sechs Wochen später: Anstieg der Fallzahlen

Die Fallzahlen stiegen in Spanien und besonders in Barcelona wieder an. Die Veranstaltungen ab 13 Uhr wurden gestrichen, teilweise fanden sie online statt. Einige Vorlesungen entfielen ersatzlos und wir müssen uns den Stoff selbst erarbeiten. Das ist besonders schwierig, wenn keine Folien hochgeladen werden, man keine Bücher ausleihen kann und das Treffen in Lerngruppen nicht möglich ist. Die Praktika sind weiterhin präsent, aber wir dürfen nicht mehr auf Station, also verbringen wir die meiste Zeit im OP oder bei ambulanten Gesprächen. Diese werden jedoch oft am Telefon geführt und man hört nur was der Arzt sagt, aber nicht, was der Patient antwortet.

Auch der Alltag veränderte sich daraufhin. Restaurants und Bars mussten schließen, genauso wie Geschäfte und Sporthallen. Nach dem Praktikum musste man direkt wieder nach Hause und sich die Vorlesungen online anschauen. Die Kontaktbeschränkungen sind hier ähnlich zu denen in Deutschland: maximal sechs  Leute und nach Möglichkeit Zeit draußen verbringen. Allerdings ist die Umsetzung dieser Regeln nicht so strikt, gab es doch immer wieder Einladungen auf Hauspartys oder größere Gruppenveranstaltungen. So fällt es manchmal schwer, den richtigen Weg zu finden, zwischen „richtigem“ bzw. verantwortungsvollem Verhalten und dem Wunsch, das Meiste aus seinem Erasmusjahr mitzunehmen. Aber so lange die Fallzahlen so hoch bleiben, verbringe ich möglichst viel Zeit mit meiner WG und den Leuten, die ich täglich in der Uni sehe und versuche größere Treffen zu vermeiden.

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Jetzt werden auch Studierende geimpft. Dafür muss man sich nur im Internet registrieren und dann gibt es nach Jahrgängen aufgeteilte Impftermine. Zuerst werden die Studierenden aus dem sechsten Jahr, dann aus dem fünften und vierten geimpft. Für die Registrierung braucht man nur seinen Namen und spanische Passnummer eingeben. Wir Erasmus-Studenten können uns dementsprechend leider nicht registrieren. Uns wird versprochen, dass wir per Mail einen Termin bekommen, sobald das vierte Jahr geimpft wird, da wir in diesem Jahrgang an der Uni immatrikuliert sind. Mittlerweile werden das dritte und zweite Jahr geimpft und wir haben, trotz mehrfacher Nachfragen, keine Möglichkeit bekommen uns impfen zu lassen. Das könnte spätestens in ein paar Wochen zum Problem werden, da die Überlegung besteht, dass Pflicht-Praktika nur dann möglich sind, wenn man zuvor geimpft wurde.

Aktuell habe ich fast schon einen „normalen Alltag“, als ob Corona gar nicht existieren würde. Nur die Masken und das Ausbleiben der Touristen lassen vermuten, dass wir uns mitten in einer Pandemie befinden. Bars und Restaurants dürfen mittlerweile wieder öffnen, allerdings nur bis nachmittags. Abends haben bis auf Supermärkte und Lieferdienste alle Geschäfte geschlossen. Daher sitzen wir meist auf unserem Balkon und beobachten die Polizei, die die Ausgangssperre kontrolliert. In den letzten Wochen wurde sich jedoch von weiten Teilen der Bevölkerung nur spärlich an diese gehalten. Vor allem im Zentrum und auch in dem Viertel, in dem ich wohne, sind seit Mitte Februar immer wieder Demonstranten unterwegs. Diese fordern die Freilassung von Pablo Hasél, einem spanischen Rapper. Dabei versammeln sich oft Tausende, natürlich ohne Einhaltung des Mindestabstands und protestieren. Teilweise kommt es zu Randalen, Geschäfte werden leergeräumt, Müllcontainer angesteckt und Flaschen gegen Fensterscheiben und auf Menschen geworfen.

 

Insgesamt bin ich wirklich froh, dass ich trotz Corona, nach Barcelona gehen durfte. Das Leben steht hier nicht so still wie in Deutschland. Es wird versucht, möglichst viel Leben und Freizeit Corona-konform zu ermöglichen. Aus meiner Erasmusgruppe und auch von den spanischen Studierenden, mit denen ich die Praktika besuche, haben sich bisher niemand nachweislich infiziert. Daher denke ich, dass die Uni ein gutes Konzept für den Unterricht erarbeitet hat und dabei einen guten Mittelweg zwischen Online und Präsenz gefunden hat.