Recap: Meine Mittelamerika Reise

Recap: Meine Mittelamerika Reise

Der Schweiß, der sich erst mit der Sonnencreme und dann mit dem Dreck auf meiner Haut mischt und mir dann langsam vom Gesicht tropft, brennt fast so sehr wie Shampoo in den Augen. Meine Lungen brennen auch. Ob wegen meiner nicht auskurierten Erkältung, der Höhe, der Anstrengung oder des Smogs, kann ich nicht genau sagen. Wahrscheinlich ist es die Mischung. Ich stehe irgendwo hinter Guatemala-Stadt auf einem steilen Berg im Stau. Es geht jetzt seit mindestens zwölf Kilometern nur bergauf, die Sonne knallt auf den Asphalt und ich kann die Hand kaum vor Augen sehen, da ich permanent in einer Abgaswolke stehe. Hier kann man den Lungenkrebs sehen, bevor man ihn einatmet. Langsam geht es weiter und ich versuche mein Fahrrad weiter den Berg hinaufzubewegen, immer in der Hoffnung, dass es auch irgendwann wieder bergrunter geht. Währenddessen gehen mir immer wieder dieselben drei Fragen durch den Kopf: 1) Wo ist der Sauerstoff? 2) Wie soll ich das noch weitere neun Wochen durchhalten? 3) Und warum? Warum mache ich das eigentlich? Woher kam damals die Motivation zu sagen: super Idee mit dem Fahrrad von Guatemala nach Costa Rica zu radeln?

Um die letzte Frage zu beantworten müssen wir ein paar Monate zurückspulen. Anfang 2023 habe ich, wie viele andere wahrscheinlich auch, überlegt wo ich im Sommer so Urlaub machen könnte. Die Wahl fiel auf Island. Bei kurzer Recherche war dann klar, Island ist viel zu teuer, um dort mit einem gemieteten Auto von Unterkunft zu Unterkunft zu fahren. Island wurde mein erster großer Bikepacking-Trip. Das Problem mit Fahrradreisen ist, dass sie süchtig machen und so konnte ich mir keine klassische Backpacking-Reise mehr vorstellen. Deswegen musste das Fahrrad jetzt auch mit nach Mittelamerika.

So stand ich jetzt hier auf diesem nicht enden wollenden Berg und hinterfrage so ziemlich jede meiner bisherigen Lebensentscheidungen. Vor allem hinterfragte ich, wie schlau die Entscheidung war zu sagen, ich fahren alleine mit dem Fahrrad durch Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica. Wem wollte ich hier eigentlich etwas beweisen?

Der Stau löste sich langsam auf und tatsächlich ging es endlich, nach über 20 Kilometern bergauf, auch wieder steil hinunter. Da der Seitenstreifen mehr aus Löchern als aus Straße bestand, versuchte ich mich auf eine der beiden Fahrspuren einzuordnen und bretterte mit über 50km/h den Berg hinunter. Bremsen ging kaum, da die Bremsscheiben schon gut am Überhitzen waren. Augen zu und durch. Ich kam lebend an meinem ersten Ziel dieser Reise an: Antigua.

Gib hier deine Guatemala: Aller Anfang ist bergigein

Ich hatte mir Guatemala als Beginn dieser neunwöchigen Radreise ausgesucht, da es hier gute Spanischschulen gibt und ich mein Spanisch noch einmal aufpolieren wollte. Vor allem die Kolonialstadt Antigua ist ein beliebtes Reiseziel und hat zahlreiche Spanischschulen. Die ersten zwei Wochen meiner Reise würde ich hier zur Schule gehen und mich hoffentlich an Land, Leute und die Kultur gewöhnen.  Den ersten Kulturschock hatte ich direkt bei meiner Ankunft in Guatemala-Stadt, als ich mich Auge in Auge mit einem Gewehr wiederfand. Jeder Laden hat hier seine eigene Security und diese tragen alle Arten von Waffen mit sich herum, von Pistole bis Schrotflinte habe ich alles gesehen.

Antigua war für mich die perfekte Gelegenheit, erste Kontakte zu knüpfen und weitere Kulturschocks zu vermeiden. Danach ging es weiter mit dem Fahrrad bis zum See Atitlán und von dort aus bis Quetzaltenango, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort wurde ich das erste Mal so richtig krank und das in der Woche vor Weihnachten. Während ich mit Fieber im Bett lag, drei Haselnüsse für Aschenbrödel sah, kam das Gefühl von Heimweh in mir hoch. Das passiert mir eher selten. Aber so kurz vor Weihnachten krank zu sein, so weit weg zu sein, alleine zu sein und dann noch die ganzen Fotos von zu Hause, von Plätzchen backen, Weihnachtsbäumen und -märkten, da bekam ich dann doch Heimweh. Pünktlich zu Weihnachten war ich zum Glück wieder gesund und traf sogar andere Radreisende aus Tschechien, Belgien und Guatemala.

Eindrücke aus Guatemala

El Salvador: Endlich wieder Meer

Nachdem ich Silvester in Guatemala kurz vor der Grenze zu El Salvador feierte, stand Anfang Januar endlich der erste Grenzübergang an. Viel nervöser als nötig gewesen wäre, radelte ich los. An der Grenze angekommen, lief alles glatt und schnell. Radfahren in El Salvador macht mehr Spaß, als in Guatemala. Die Leute halten mehr Abstand und es gibt fast immer einen schönen breiten Seitenstreifen. Meine Zeit in El Salvador bestand zusammengefasst aus langen Rad-Tagen, zelten am Strand mit Schildkröten, das ein oder andere Mal von Hunden gejagt werden und vielen Eis-Pausen.

Eindrücke aus El Salvador

Honduras: 36h und nicht mehr alleine

Würde ich sagen, dass ich in Honduras war? Ja, ich habe zumindest den Ein- und Ausreisestempel in meinem Pass. Außerdem bin ich immerhin 130 Kilometer durch das Land geradelt. Habe ich viel gesehen und kann sagen, dass ich dort viel erlebt habe? Eher nicht, war ich doch nur 36 Stunden in dem Land. Immerhin war ich nicht mehr allein. An der Grenze zu Honduras habe ich durch Zufall einen anderen deutschen Radreisenden getroffen. Vor allem meine Mama war überglücklich zu hören, dass ich nicht alleine durch dieses Land wollte, über dessen Sicherheit man doch eher fragwürdiges hört. Wenn ich jetzt an Honduras denke, dann denke ich an über 40 Grad, keinen Schatten und so viele Kinder, die am Straßenrand stehen und tote Echsen verkaufen. Und ich denke an meine einzige Übernachtung dort. Während mein neuer Radfahr-Kumpel sich ein AirBnB gemietet hatte, schlief ich beim Roten Kreuz von Nacaome. In Städten kann man fast immer das Rote Kreuz, die freiwillige Feuerwehr oder die Polizei fragen, ob man dort für eine Nacht campen darf. In der Regel werden Radreisende dort mit offenen Armen aufgenommen.

Eindrücke aus Honduras

Nicaragua: eine unvergessliche Zeit

Ich hatte Nicaragua gar nicht so richtig auf dem Schirm vor Beginn dieser Reise. Aber während der Reise wurde immer mehr und mehr klar, Nicaragua musste unfassbar toll sein. So wurde es zum großen Ziel dieser Reise dort anzukommen und mehr von dem Land zu sehen. Nachdem ich etwas über eine Woche durchgefahren war, wollte ich mir dort wieder mehr Zeit nehmen und mehr von dem Land und seinen Leuten kennenlernen. Mein erster Stopp war Leon, die Stadt ist berühmt für seine schneeweiße Kathedrale, von deren Dach man den Sonnenuntergang beobachten kann. Das nächste Ziel war die Hauptstadt des Landes Managua. Dort schlief ich in einem Friseursalon und wurde von einer Familie zum Abendessen eingeladen. Über Granada ging es dann weiter nach Ometepe. Ometepe ist die weltweit größte Vulkaninsel in einem Süßwassersee und hat gleich zwei Vulkane: einen aktiven und einen inaktiven. Auf Ometepe traf ich einige Leute wieder, die ich ganz am Anfang der Reise in der Spanischschule in Antigua kennengelernt hatte. Die fünf Tage auf der Insel tauschte ich mein Rad gegen einen Scooter, um mit den anderen mithalten zu können. Morgens zum Sonnenaufgang ging es auf die eine Seite der Insel zum Schwimmen, abends auf die andere Seite, um den Sonnenuntergang zu sehen. Die Zeit dazwischen wurde mit Wandern, Essen und viel Nichts tun gefüllt. Die Auszeit war genau das richtige und jetzt hatte ich Energie für den letzten Teil der Reise: Costa Rica.

 

Eindrücke aus Nicaragua

Costa Rica: Affen, Faultiere und fehlender Seitenstreifen

Costa Rica wird immer wieder als das Reiseziel Mittelamerikas beschrieben und ich kann verstehen warum. Nur nicht mit dem Fahrrad. Die Menschen dort fahren wie die Verrückten, warum auch Abstand halten, wenn ein Seitenspiegel die Schulter des Radfahrers berühren kann? Lässt man die ständigen Nahtoderfahrungen außenvor, dann ist Costa Rica wirklich schön: Berge, Meer, Strände, Vulkane, Seen und eine Vielzahl an Vögeln und Echsen, die einem nur ab und an suizidal vor das Fahrrad rennen.

Eindrücke aus Costa Rica

Um die drei anfänglichen Fragen zu beantworten: 1) Ja es gibt Sauerstoff, aber manchmal kommt er in Mittelamerika mit einer ordentlichen Prise Smog. 2) Jede Radreise hat ihre Höhen und Tiefen. Am besten plant man immer nur einen Tag im Voraus, da Pläne sich hier stündlich ändern können. Letztlich gehen neun Wochen viel zu schnell vorbei. 3) Warum? Weil ich diese Art zu Reisen sehr mag. Das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit habe ich selten so erfahren wie auf dem Fahrrad mit dem Zelt auf dem Gepäckträger. Weil das Fahrrad der perfekte Ice-Breaker ist und man schneller mit Locals in Kontakt kommt, schneller die Landessprache lernt, mehr über die Kulturen der bereisten Länder lernt. Weil mich jetzt nichts mehr so schnell aus der Ruhe bringt. Weil man daran physisch und mental wächst und weil man danach eine spannende „Lücke“ im Lebenslauf hat.

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