Tag 12: Mein erstes Mal Trampen

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Tag 12: Mein erstes Mal Trampen

Heute lasse ich das Fahrrad einfach mal Fahrrad sein und nehme dankend das Angebot von den beiden Mädchen an, die ich gestern Abend kennengelernt habe. Zusammen fahren wir mittags los Richtung Látrabjarg, das ist eine Steilküste ganz im Westen der Westfjorde. Angeblich ist dieser Ort sogar der westlichste Punkt Europas. Laut Google stimmt das nicht, da der westlichste Punkt Europas in Portugal liegen soll. Aber auf jeden Fall ist es der westlichste Punkt Islands. Und der windigste bisher.

Látrabjarg gehört zu den bekanntesten Vogelfelsen der Welt, also eigentlich kein Ort für mich, da meine Angts vor Vögeln hier jeden tag wächst. Doch bei dem Wind heute, der mit Böen von über 70 km/h um uns herum peitscht, muss man keine Angst vor Angriffen aus der Luft haben. Auf den teilweise über 400 Metern hohen Klippen hier wohnen diverse Vögel, vor allem die Puffins (Papageientaucher) sind bei den Touristen, also auch mir, sehr beliebt. Island hat den mit Abstand größten Bestand an Puffins, die vor allem im nördlichen Atlantik vorkommen. Sie leben in Kolonien in kleinen Höhlen an Steilküsten und sind daher nicht immer zu sehen. Da die Tiere lange gejagt und gegessen wurden, sind die Bestände weit zurückgegangen und die Art gilt als vulnerabel/ gefährdet.

Am Kap angekommen bekommen wir kaum die Türen auf, da der Wind so stark ist. Vom Parkplatz aus führt ein Weg die Steilküste entlang und an schönen Tagen kann man dort bestimmt toll wandern gehen. Der heutige Tag zählt nicht zu den schönen Tagen. Heute stemmen wir uns gegen den Wind, um nur ansatzweise Richtung Klippen zu gelangen. Damit wir nicht einfach über den Rand fliegen, kriechen wir teilweise sogar, um an den Aussichtpunkt zu gelangen. Wir haben Glück und entdecken zwei Puffins, die sich hinter einem Felsvorsprung vor dem Wind schützen, ein weiterer versucht dorthin zu fliegen, wird aber vom Wind immer wieder Richtung Meer gedrückt und landet schließlich weiter unten auf einer Klippe. Mission erfüllt: Puffins sehen und fotografieren kann von unserer Island-Must-Do-Liste gestrichen werden. Die restliche Wanderung sparen wir uns, da dort Schilder vor der Gefahr ins Meer zu stürzen warnen. Man muss schließlich nicht alles mitnehmen.

Wer genau hinschaut, kann die beiden schwarz-weiß-roten Puffins entdecken

Es geht den gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind. Die Straße besteht aus mehr Löchern als Straße und so hüpfen wir im Wagen fröhlich mit hoch und runter. Das Auto heißt übrigens Jon uns ist ordentlich am Arbeiten, um uns die 1000 Höhenmeter über den Pass wieder zurück zu bringen.

Die beiden anderen wollen heute noch weiter fahren, da sie nur das eine Wochenende in den Westfjorden haben. Daher lassen sie mich an der Abzweigung zum Campingplatz raus und ich muss „nur“ noch über den Berg zurück zu meinem Zelt und meinem Rad. Der selbe Berg, den ich gestern schon hochgeschoben habe. Weil ich keine Lust habe, schon wieder über diese staubige Straße zu stiefeln versuche ich mein Glück im Trampen. Die ersten beiden Autos lassen mich stehen, aber das dritte hält direkt an. Der Junge ist etwa gleichalt und bietet mir an, mich über den Berg mitzunehmen, die letzten drei Kilometer zum Campingplatz muss ich dann selber gehen, da er in die andere Richtung möchte. Passt doch super denke ich und steige ein. Wie es der Zufall will, ist er auch aus Deutschland, genauer gesagt aus Paderborn und wir sind quasi Nachbarn. Er hat gerade seine Ausbildung beendet und bevor er mit seinem Studium anfängt, reist er alleine durch Island.

Wieder zurück auf dem Campingplatz verkrieche ich mich mit meiner Wärmflasche in meinem Schlafsack und lese. Mein neues Buch heißt „Stay away from Gretchen“ und bei dem Titel kann es nur gut sein. Irgendwie ist es komisch, eine zweite Nacht hier zu sein, da alle die ich gestern kennengelernt habe, weitergefahren sind und heute außer mir nur Franzosen hier sind, die sich hauptsächlich in sehr schnellem Französisch unterhalten. Ich vermisse die Leute von gestern, auch wenn man sich nur kurz kannte, habe ich mich sehr wohlgefühlt in deren Gesellschaft und hoffe, dass ich die ein oder den anderen vielleicht noch einmal wiedertreffe.

Grüße aus dem Zelt
Auf dem Rückweg kommen wir am Golden Beach vorbei

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