Tag 15: Ich stelle persönliche Rekorde auf

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Tag 15: Ich stelle persönliche Rekorde auf

Heute ist der Tag der Tage. Heute versuche ich, die 100 Kilometer zu knacken. Auf meiner Probefahrt durch Belgien, bin ich regelmäßig über 100 Kilometer gefahren. Damals war ich allerdings nur fünf Tage unterwegs und es war flach. Hier ist es alles andere als flach. Es warten neben den 105 Kilometern auch 1800 Höhenmeter auf mich, der Großteil davon auf Gravelroads.

Morgens rolle ich um 7:15 vom Campingplatz und es geht direkt bergauf, teils schiebend, teils langsam fahrend erreiche ich nach knapp zwei Stunden das erste Mal heute die 500 Höhenmeter. Meine Geheimwaffe beim bergauf schieben ist simpel: ich mache eine Playlist an und höre so lange laut Musik, bis ich oben bin. Normalerweise bin ich eine Person die ständig Musik hört, in Island nur beim bergauf fahren und bergauf schieben. Außer mir und den Schafen hört es ja sowieso niemand hier. Dann geht es wieder bergab und meine Bremsen dürfen ordentlich arbeiten, da ich nach wie vor etwas ängstlich bin und nicht bei hohen Geschwindigkeiten von meinem Fahrrad fallen möchte. Die nächsten Kilometer fahre ich an einem der vielen Fjorde entlang und die Straße wird immer schlechter und staubiger. Ab und an überholt mich ein Auto und jedes Mal werde ich mit einer weiteren Staub- und Sandschicht bedeckt. Nach 38 Kilometern habe ich mein erstes Zwischenziel erreicht und die nächste halbe Stunde liege ich einer heißen Quelle und versuche mich ein wenig zu erholen.

Als ich losfahre, ist es noch windstill und der Fjord ist beinahe spiegelglatt
Aussicht vom ersten Berg des Tages
Die nächsten Kilometer folge ich der Straße, die einmal um den Fjord herum führt
Erste Pause des Tages, es könnte schlimmer sein

Zwischen hier und meinem nächsten Zwischenziel heute liegen weitere 1200 Höhenmeter. Und das wird richtig anstrengend. Die Straße wird immer trockener und die vielen kleinen losen Steine machen das Fahren und auch das Schieben anstrengender, immer wieder rutsche ich ein bisschen bergab und jeder Schritt vorwärts ist auch ein kleiner Schritt rückwärts. Am nervigsten sind jedoch die vielen Fliegen, die mir ständig in die Augen, Nase, Mund und Ohren fliegen. Ich bin wohl offiziell nicht mehr vegetarisch nach dem heutigen Tag, ich habe mindestens fünf Fliegen eingeatmet…. Oben angekommen geht es um eine Kurve und dann wieder bergauf. Dieses Mal über eine Baustelle und so donnert alle paar Minuten ein LKW an mir vorbei, der zumindest kurz die Fliegen durch den Fahrtwind verschwinden lässt.

Irgendwann, nach einer halben Ewigkeit, geht es dann doch wieder bergab. Unten angekommen bin ich wirklich erschöpft und mache eine weitere lange Pause an einem der schönsten Wasserfälle Islands. Der Name Dynjandi heißt so viel wie der Tobende oder der Dröhnende und ist mehr als passend, hier versteht man kaum ein Wort. Er ist über 100 Meter hoch und zieht einige Touristen an. Auf dem Weg zu dem Wasserfall kommt man an mehreren kleineren Wasserfällen vorbei, bei denen das Wasser hellblau erscheint und durch Sonne entstehen hier mehrere kleine Regenbögen. Das Wasser des Dynjandi-Wasserfalls sieht im Gegensatz dazu weiß aus und fällt über mehrere kleine Etagen wie in Zeitlupe in der Form mehrerer Vorhänge hinunter.

Hier komme ich mit einem Isländer ins Gespräch, er kommt aus Reykjavik und ist auch das erste Mal bei diesem Wasserfall und erklärt ihn für einen der schönsten des Landes. Und ich glaube da hat er Recht.

Die letzten 30 Kilometer warten noch auf mich, zum Glück sind diese weitestgehend flach. Sie sind nur so flach, weil es auf der Strecke einen der wenigen Tunnel des Landes gibt. Er ist knapp sechs Kilometer lang uns ich stelle fest: ich hasse Tunnel. Es hallt unglaublich laut und die Geräusche der Autos sind so laut, dass man denkt, man würde jeden Moment überrollt werden, auch wenn die allermeisten viel Abstand halten. Trotzdem, das will ich nie wieder machen denke ich und bin erleichtert, als ich am Ende des Tunnels Licht sehe und zwar Tageslicht. Die letzten Kilometer darf ich bei Gegenwind bis nach þingeyri strampeln.

Am Campingplatz angekommen, möchte ich mich am liebsten direkt aufs Gras legen und schlafen.

Erschöpft, aber motiviert

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Meltem

    Wow, was für ein schöner Wasserfall!! * – *

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