Tag 26: Jesus ist Kommunist?

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Tag 26: Jesus ist Kommunist?

Ich schlafe leider gar nicht so gut in dem Bett, da ich regelmäßig von höllischen Krämpfen in den Beinen geweckt werde. So verbringe ich die Nacht zur Hälfte damit aus dem Bett zu springen und meine Waden zu dehnen und laut fluchend im Kreis zu hüpfen. Immerhin ist es warm und ich muss nicht jedes Mal aus dem Zelt kriechen, nur um mich hinstellen zu können.

Heute möchte ich ein bisschen Strecke gut machen, schließlich habe ich lange genug pausiert. Gleichzeitig möchte ich die Wärme des Hostels ausnutzen und so trödel ich ein wenig herum, bevor ich mich verabschiede und um zehn Uhr aufs Rad schwinge. Es geht direkt bergauf und ich merke meine Waden mehr als sonst und so schiebe ich ab und an die steilen Passagen bergauf.

Das schöne beim Radfahren ist: es ist fair. Alles was man sich bergauf erarbeitet hat, darf man bergab genießen und mit dem Wind, der ausnahmsweise von hinten pustet bin ich schnell, richtig schnell. Zumindest am Anfang, nach zwei Drittel der Strecke habe ich dann Wind von vorne. Die ersten 70 Kilometer folge ich der Schotterpiste entlang der Küste und versuche die Holländer einzuholen, die etwa 45 Minuten vor mir gestartet sind. Das schaffe ich nicht, hätte ich mir auch denken können, die beiden haben deutlich weniger Gepäck und sind um einiges trainierter als ich. Nach 70 Kilometern mache ich eine erste Pause in einem kleinen Café und trinke literweise Tee um mich aufzuwärmen. Das kleine Café befindet sich in Borðeyri, einem seeehr kleinen Dorf. Laut Google wohnen hier nur 16 Menschen und damit ist dieses Dorf auf jeden Fall ein guter Kandidat für das kleinste Dorf Islands. Das Café wurde gestartet, um Geld für die Renovierung der alten Gebäude in dem Dorf zu sammeln und wird von Ehrenamtlichen betrieben und es hat eine Heizung.

Nach 100 Kilometern Schotterpiste endlich wieder eine asphaltierte Straße, aber auch der Verkehr nimmt wieder zu
Das kleine Café in dem noch kleineren Dorf Borðeyri

Nach einer langen Pause ist es schwierig wieder in Gang zu kommen und es gibt einen Campingplatz direkt um die Ecke, aber die Rezensionen bei Google bewegen mich zum weiter fahren. Nach kurzer Zeit treffe ich wieder auf die Ringstraße und die nächsten Kilometer führt kein Weg daran vorbei. Zum Glück ist hier oben im Norden deutlich weniger auf der Straße los und ich muss nicht befürchten, jede Sekunde von einem Auto erwischt zu werden.

Da meine Snacks sich dem Ende neigen mache ich einen kurzen Stopp an einer Tankstelle und laufe einem Ungarn in die Arme, den ich ebenfalls bei dem Konzert kennengelernt habe. Froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen verquatsche ich mich erneut. Aber seine Freunde wollen weiter und so mache ich mich auch wieder auf den Weg. Den nächsten Campingplatz, den ich nach insgesamt 90 Kilometern erreiche lasse ich aus irgendwelchen Gründen auch links liegen. Ich will noch weitere 30 Kilometer hinter mich bringen und erneut die 100 Kilometer knacken. So genau kann ich nicht sagen, warum. Aber die Google Rezensionen und mein Bauchgefühl sagen, dass ich weiterfahren soll. Und wenn ich eins gelernt habe, dann dass das Bauchgefühl unschlagbar ist. Das sollte sich auch heute wieder unter Beweis stellen.

Die letzten 10 Kilometer sind verdammt anstrengend, so ganz fit bin ich immer noch nicht und völlig erschöpft erreiche in den Campingplatz. Es ist gerammelt voll hier, überall stehen Zelte und Wohnwägen und in jeder Ecke klingt laut Musik aus Autos und es riecht nach Grillkohle.

In einer kleinen Ecke zwischen einer Hecke und einem netten isländischen Paar mit Wohnwagen finde ich einen ruhigen Platz und baue mein Zelt auf. Dann ist Zeit für mein Abendessen und einen erneuten Pasta-Abend. Beim Kochen lerne ich einen Jungen aus Ecuador kennen und wir unterhalten uns in einem Mix aus deutsch, spanisch und englisch. Er ist nicht so der Typ für Smalltalk und die typischen Fragen warum Island, warum mit dem Rad, sondern stellt eher philosophische und religiöse Fragen. So dreht sich das Gespräch schnell um Gott und die Bibel und er erklärt mir, warum Jesus eigentlich Kommunist ist, so ganz kann ich nicht immer folgen. Wir verabreden uns zum Frühstück, da wir beide früh starten wollen und ich verabschiede mich, ich will nur noch schlafen.

Schon im Halbschlaf realisiere ich, dass ich meine Zähne noch nicht geputzt habe. Also raffe ich mich wieder auf und nehme auch meine Wärmflasche mit, um die bei der Gelegenheit noch schnell mit Wasser aus dem Wasserkocher aus der Küche zu befüllen. Die Küchennische ist besetzt, irgendwer kocht hier abends um 22 Uhr noch Nudeln. Das Gesicht kommt mir bekannt vor, aber ich kann es zuerst nicht einordnen, ich bin zu müde und will nur schlafen. Dann kommt noch jemand dazu und jetzt kann ich die Gesichter doch einordnen. Ich hab die beiden Jungs schon einmal gesehen, die standen doch bei dem Konzert auf dem Campingplatz an der Eingangstür und sprachen die nicht auch deutsch und waren die nicht eigentlich zu dritt? Und dann kommt Nummer drei auch hinzu und sieht ganz schön grün aus im Gesicht. Da ist wohl jemand krank.

So lange ich warte, dass der Wasserkocher frei wird, kann ich die drei ja auch anquatschen denke ich mir und sage: „Ey ich kenn euch doch von dem Konzert oder?“ Und so kommen wir ins Gespräch. Die drei sind auch mit dem Rad unterwegs und kommen aus Hamburg. Statt zurück ins Zelt zu kriechen setze ich mich mit an den Tisch und erfahre, dass sie eigentlich zu viert unterwegs waren, aber einer direkt am ersten Tag eine Panne hatte und zurück musste. Danach sind sie zu dritt weiter und sind fast die selbe Strecke gefahren wie ich, dadurch dass ich so lange krank war, haben sie mich eingeholt. Und sie haben für morgen das selbe Ziel wie ich und danach wollen sie der F35 durch die Highlands folgen. Mein Plan sieht anders aus, ich will entlang der Küste und dann die F26 durch die Highlands nehmen, die etwas weiter östlich verläuft. Aber irgendwie mag ich die drei und mal nicht alleine Fahren wäre auch nett. Naja, eine Entscheidung für morgen denke ich und morgen werde ich definitiv noch einmal alleine fahren. Trotzdem tauschen wir Handynummern aus und verabreden uns für den kommenden Abend am Campingplatz.

Mit der heißen Wärmflasche und einigermaßen windgeschützt friere ich diese Nacht gar nicht mal so sehr wie sonst. Schlafen kann ich trotzdem kaum, ich bin am überlegen welche Route ich am besten nehme und ob ich die Jungs eventuell frage, ob ich mich anschließen kann.

 

Das Zelt steht, nach der Nacht im Hostel habe ich beinahe vergessen wie man es aufbaut

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